Grabrede Egon Scholz

Schifahren … - konnte er nicht!

Liebe Trauergemeinde, ich erwähne das so ausdrücklich, weil Egon Scholz vom Schifahren abgesehen eben fast alles konnte: Er war ein leidenschaftlicher Fußballer und Wanderer. Er hat schöne Bilder gemalt und Radierungen angefertigt. Er hat gelesen und die Nachrichten verfolgt. Er war kegeln, ein Doppelkopfspieler – und Skat konnte er auch. Er konnte gut mit Zahlen umgehen und hat bei einem Zeitzeugenprojekt intellektuell hellwach Erinnerungen dokumentiert. Er konnte seinen Enkeln spannende Piratengeschichten erzählen und der grüne Daumen für den Garten lag ihm sozusagen in den Genen.

Wir blicken auf einen Menschen zurück, der sich für viele Dinge interessiert hat. Der viele Dinge wusste und konnte – der das aber nie genutzt hat, um sich selber in den Mittelpunkt zu stellen. Er war ein durch und durch geselliger Mensch, spürbar gerne unter Menschen. Aber er war nicht der Typ, der das große Wort führt, der aller Menschen Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Seine Frau Hella war von ihrem Wesen her raumfüllender. Sie war auf eine Art und Weise humorvoll und mit Energie gesegnet, die er sehr an ihr gelebt hat. Die beiden waren 56 Jahre lang verheiratet. Dass Sie die hörbare Sängerin war und er der stille Maler und Gärtner – das was charakteristisch für ihre beiden Persönlichkeiten.

Das Leben, das sie gelebt haben, war ein beeindruckend aktives Leben: Ein Netzwerk an Beziehungen, viele Hobbies und vor allem war der Verstorbene auch ein Familienmensch. Der Zusammenhalt zwischen den Generationen war ihn ein Herzensanliegen. Früher hat er seine eigenen Eltern gerne und regelmäßig besucht und es war ihm wichtig bei ihnen, vor Ort zu sein. Er hat immer engen, liebevollen Kontakt gepflegt zur Tochter, zum Schwiegersohn und zu den Enkeln Stephan und Robin. Der Sonntag war traditionell „Familientag“: Er kam zum Mittagessen, danach wurde oft „Kniffel“ gespielt. Als Sie in den USA gelebt haben, war er zwei Mal zu einem intensiven Besuch dort. Und obwohl ich eingangs gesagt habe, dass er nicht Schifahren konnte: Wenn Sie in die Schweiz zum Schiurlaub gefahren sind, war er auch dabei. Nur er ist dann eben mit den Enkeln wandern gegangen. Als Sie nach München gezogen sind, ist er ihnen ein halbes Jahr später gefolgt. Gerade das zeigt, wie stark die Familienbindung war, denn Bergkamen und sein Haus und seinen geliebten Garten aufzugeben, das ist ihm spürbar schwer gefallen.

Es war typisch für ihn, dass er das Haus und den Garten pikobello übergeben hat. Die Dinge in Schuss zu halten, mit Disziplin und Fleiß, mit Können und vor allem auch mit Liebe alles zu pflegen, das war für ihn eine Selbstverständlichkeit.

Bergkamen ist ihn auf eine tiefe Art und Weise Heimat gewesen. Sie beschrieben, dass diese Stadt durch eine ganz speziellen Zusammenhalt geprägt war. ein Zusammenhalt, der durch das gemeinsame Arbeiten im Bergwerk entsteht. Er war zwar kein Bergwerker, sondern ein technischer Angestellter in einer Firma für Spezialpumpen. Aber diese ausgeprägte Solidarität vor Ort, dieses sich füreinander und für den Ort, an dem man lebt, Verantwortlich-Fühlen, das hat er ganz und gar geteilt.

Sie sagen über ihn, er war „treu“. Damit meinen Sie nicht nur treu der Ehefrau gegenüber, sondern auch ein treuer Freund, ein Mensch sein ganzes Berufsleben einer Firma treu geblieben ist, jemand der bis ins hohe Alter treu zu Klassentreffen gegangen ist – und ich ergänze: Er war auch ein treuer Gottesdienstbesucher.

Liebe Familie Winzler, das Vorgespräch, vorgestern, war ein wirklich schönes Gespräch! Ihnen ist unendlich viel eingefallen über den Verstorben und es war zu spüren, wie liebevoll Sie auf ihn zurückblicken. Seit dem Sturz im März hatten Sie manchmal das Gefühl, dass er eigentlich nicht mehr wollte. Dass er vor allem weitergelebt hat und sich tapfer gezeigt hat, um Ihretwillen. Für einen Menschen, der immer alle Hände voll zu tun hatte, war es schwierig, am Ende nicht mehr selbständig leben zu können.

Die Formulierung „alle Hände voll zu tun“ hat mit Blick auf Egon Scholz natürlich einen speziellen Klang: Nach einem tragischen, schuldlosen Motorradunfall, war er körperlich eingeschränkt. Aber davon war nie viel zu spüren. Er hat das selber sehr organisiert und diszipliniert kompensiert, früher oft auch durch die gute Art, wie er sich mit seiner Frau ergänzt hat. Tischtennisspielen, Schwimmen, selber beim Hausbau kräftig mitanpacken? Ja, er hatte „alle Hände voll zu tun“ und das Tätig-Sein war für ihn eine Lebenseinstellung. Und er hat sich dadurch sehr positiv eingestellt: Immer wissensdurstig, lernbereit, reisefreudig und für Genüsse offen.

Was Ihm besonders am Herzen lag, war sein Garten. Ein Garten, der gepflegt war, aber zugleich auch sehr bewusst der Natur Raum gegen hat: Igelhöhlen und Nistplätze waren da selbstverständlich. Und auch zwei Teiche haben hinein gehört.

In der Bibel ist der Garten ein Bild für die Ewigkeit bei Gott. Am Anfang, als der Mensch noch ganz im Einklang mit Gott gelebt hat, da fand dieses Leben im „Garten Eden“ statt. An einem Ort, wo die Schönheit und der Segen der Natur zu spüren war und der Mensch ihn einer ungebrochenen Weise Teil der Schöpfung war.

Ich habe jetzt ein Foto vor Augen, das Sie mir vorgestern gezeigt haben: Sein Garten, früher in Bergkamen. Und ich glaube, dass er jetzt wieder einen Garten des Lebens entdecken darf. Einen Tag bevor er gestorben ist, habe ich mich nochmal an sein Bett gesetzt. Und ich hatte diese Stola dabei. ZEIGEN. Da haben die Konfirmanden ein Bild darauf gemalt, mit dem er ganz sicher etwas anfangen konnte: „Der HERR ist mein Hirte, er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.“ Ein Vers aus dem 23. Psalm. Ich bin mir sicher: Er kannte diesen Psalm und er verstand, was mit diesem Bild gemeint ist: Die grüne Aue und das frische Wasser stehen dafür, dass Du ganz im Einklang mit Gott und mit Dir selber aufleben darfst.

„Und muss ich auch wandern im finsteren Tal, ich fürchte kein Unglück. Denn du, mein Gott, bist bei mir“ – heißt es weiter in diesem Psalm. Seine allerletzten Tage waren wohl ein finsteres Tal. Liebe Frau Winzler, Sie waren ja eng in Kontakt und oft bei ihm und haben es gespürt: Jetzt wollte er nicht mehr! Er wollte gehen.

Eingehen in einen Frieden, der wie ein Garten ist. Aufleben an einem Ort, der erfüllt ist von der Freundlichkeit Gottes. Voller Wärme, voller Licht, voller Farben.

Er war treu. Und er war lebensbejahend. Beides in einer ganz tiefen und ehrlichen Weise. Gott weiß diese Treue und krönt ihn jetzt mit Leben. Amen.