Wer über 80 Jahre alt ist, hat das Meiste schon hinter sich.
Deshalb überrascht es nicht, dass die Gedanken hochbetagter Menschen oft dem Vergangenen gelten. Zurückzublicken erfüllt sie mit Dankbarkeit, mit Stolz, manchmal aber auch mit Traurigkeit. Es ist ihr Leben. Und in der Retroperspektive erleben und bedenken sie dieses nochmal intensiv.
Wenn jüngere Menschen dafür ein Ohr haben, lernen sie was!
Hier berichte ich von den Einsichten, Haltungen und Weisheiten, die man sich "erleben" muss, sprich, die sich erst im Laufe eines langen Lebens einstellen.
Diakoniegeschichte, die atmet, lacht und manchmal auch schimpft?
Ja, ich verdanke Schwester Ursula unzählige beeindruckende Berichte aus der Vergangenheit des Lore-Malsch-Hauses. Kurz vor Weihnachten 2019 war die 97-jährige noch zum Gottesdienst in der Hauskapelle. Dass sie dieses Mal am Ausgang nur wohlwollende Rückmeldung gab und auf den üblichen Verbesserungsvorschlag verzichtet hat, erfüllte mich mit Sorge. Und tatsächlich: Am 31. Dezember ist sie verstoben.
Schwester Ursula hat im Krieg nach nur drei Wochen Ehe ihren Mann verloren. Danach gehörte sie zu den Grünungsmitgliedern der "Ottobrunner Diakonieschwesternschaft", die das Lore-Malsch-Haus aufgebaut hat. Schwester Ursula war eine überaus kluge Chronistin. Durch ihre Aufzeichnungen erschließt sich ein bewegendes Stück Diakoniegeschichte. Diese Art von Selbstlosigkeit - Verzicht auf Familie, Ehe, Privatleben - ist meiner Generation fremd. Im Gespräch mit ihr habe ich viele Anstöße gefunden, über mich und die Zeit, die meine Generation geprägt hat, nachzudenken.